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Karlstorbahnhof e.V.

Gemeinnütziges Kulturzentrum in Heidelberg

Bild: Geschichte UND Geschichten – Teil 3 von 3: Ein Veranstaltungsort für die NATO

Geschichte UND Geschichten – Teil 3 von 3: Ein Veranstaltungsort für die NATO

Eine historische Aufarbeitung der Vorgeschichte des neuen Karlstorbahnhofs / Recherche & Text: Julian Kramer

25. Januar 2022

Heidelberg als die typisch deutsche, barocke Märchenstadt; das ist ein Bild, das amerikanische Soldaten oft mit nach Hause nahmen nach einer Stationierung hier. Im letzten Beitrag ging es insbesondere um die Frage, wie die Amerikaner überhaupt nach Heidelberg kamen und wie sich die Militärpräsenz nach dem Zweiten Weltkrieg und während der Frühphase des Kalten Kriegs auf der ehemaligen Großdeutschlandkaserne veränderte. Hier soll es nun um die Veränderungen der Stationierung ab den 1960ern sowie den Abzug der Amerikaner gehen, die die Konversion der insgesamt 180 Hektar, knappe 1,6% der gesamten Heidelberger Stadtfläche, und damit auch den neuen Karlstorbahnhof ermöglichten.

Durch Kampfhandlungen unter der Führung Eisenhowers und George Pattons in der Rhein-Neckar-Region, war Heidelberg bereits direkt nach dem Zweiten Weltkrieg als Stadt der Generäle bekannt. Erst recht war das durch die Stationierung der Central Army Group (CENTAG) als Hauptquartier der NATO in Süddeutschland in den 1960ern der Fall. Auf den Campbell Barracks gingen mehr drei- und vier-Sterne-Generäle ein und aus, als an anderen Kasernenstandorten Deutschlands. Teilweise waren bis zu 20 Generäle hier stationiert, die verschiedenste Einheiten leiteten. Mit der NATO kam ein internationales Flair auf die Campbell Barracks und ins Patrick Henry Village, wo es dann beispielsweise eine kanadische Schule gab; nicht mehr nur die amerikanische Patrick Henry Elementary School und die Heidelberg Middle School. Zwar wurde das CENTAG später nach Mannheim Seckenheim verlegt, es blieb jedoch unter Heidelberger Führung mit dem Oberbefehlshaber in den Campbell Barracks.

Die neue Nutzung der ehemaligen Großdeutschlandkaserne bedeutete auch an den Bauten Veränderungen: Die Mannschaftsgebäude der Wehrmacht wurden weitergenutzt und zwischen zwei Gebäuden auf der Nordseite ein Zwischenbau eingezogen, welcher als „H-Gebäude“ bekannt wurde. Es beherbergte den abhörsicheren „Warroom,“ aus dem Kampfhandlungen im Ausland, beispielsweise auch in Vietnam, gesteuert wurden. Die Pferdeställe wurden bald in ein „Casino“ umgewandelt, das bereits 1949 öffnete.

Spätestens durch Anschläge der sogenannten Roten Armee Fraktion (RAF) im Mai 1972 auf den Campbell Baracks, die das Ende des Vietnam Kriegs einforderten, wurden Sicherheitsbestimmungen um die amerikanischen Flächen in Heidelberg strenger. Nachdem die Campbell Baracks nämlich von der RAF ausspioniert und mangelnde Sicherheitsvorkehrungen entdeckt worden waren, wurden zwei mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge in die Kaserne eingeschleust und dort zur Explosion gebracht. Bereits im Rahmen der den 68-er Protesten hatte es Widerstand in der Heidelberger Bevölkerung gegeben, die Verhältnisse seien in den Jahrzehnten danach aber wieder besser geworden, sagte mir Detlef Junker, Gründungsdirektor des Heidelberg Center for American Studies.

Die komplette Abschottung der amerikanischen Armee und damit nicht nur der Campbell Baracks folgte dann nach den Anschlägen vom 11.September 2001. In der Folge war es eigentlich unmöglich ohne Militär-ID auf die Kasernengelände zu kommen. Das Klein Amerika Heidelbergs war dann nur noch in der Südstadt und auf den Deutsch-Amerikanischen Volksfesten, sowie in privaten Freundschaften und Beziehungen wirklich aktiv.

Die Nutzung der Pferdeställe der Wehrmacht als Veranstaltungsort, in die der Karlstorbahnhof nun ziehen wird, ist keine neue Idee, sondern kann historisch als eine Art Weiterführung der amerikanischen und NATO-Nutzung gesehen werden. Wie ich bereits erwähnte, wurden die Stallungen bereits ab 1949 als „Casino“ genutzt. Hier ist keine reine Spielhalle in Las Vegas-Manier gemeint, sondern ein Ort, in dem Generäle, manchmal auch untere Soldaten, ihre Freizeit verbringen konnten. An der Stelle vor den ehemaligen Pferdeställen, an der nun das neue Foyer und der Club K einziehen, befand sich ebenso bereits ein Vorbau, der jedoch abgerissen wurde, da er von den Amerikanern nicht denkmalschutzkonform errichtet und bei Beginn der Konversionsarbeiten bereits sanierungsbedürftig war. Neben einem großen Veranstaltungssaal, in den nun der Saal des Karlstorbahnhofs einziehen wird, gab es Tagungsräume für NATO-Veranstaltungen.

Die Konversion, also die Umnutzung von militärischer auf zivile Nachnutzung der Campbell Barracks zeigt den Zwiespalt zwischen erinnerungskulturellen Aspekten dieses denkmalgeschützten Ensembles und einer heutigen angemessenen Nutzung sehr gut. Der neue Karlstorbahnhof als Umnutzung ehemaliger Pferdeställe und Veranstaltungsräume verbindet beides, das Historische, das ich in diesen drei Blogbeiträgen etwas näher beleuchten wollte, und das Moderne, das einem zukunftsgerichtetem Stadtquartier entspricht, in einer wunderbaren Weise. Dies ist leider nicht für alle, jedoch für einige, sehr interessante Projekte auf dieser und anderen Konversionsflächen Heidelbergs der Fall.

Quellen:

Das Titelfoto (Copyright: Lars-Christian Uhlig) zeigt den ehemaligen Reitplatz und den inzwischen abgerissenen Vorbau mit der Aufschrift HUEBNER CENTER und wurde 2016 geschossen. Mehr Fotos gibt es in diesem Album: Heidelberg | Flickr

Elkins, Walter F.; Montgomery, Michael J.; Führer, Christian (2014): Amerikaner in Heidelberg 1945 – 2013. Heidelberg, Ubstadt-Weiher, Basel: Verl. Regionalkultur (Schriftenreihe des Stadtarchivs Heidelberg : Sonderveröffentlichung / im Auftr. d. Stadt Heidelberg hrsg, Bd. 20).

Headquarters Allied Force Command Heidelberg (Hg.) (2012): History of the Headquarters. Online verfügbar unter https://www.nato.int/fchd/fchd/history.html, zuletzt geprüft am 23.12.2021.

Heidelberger Geschichtsverein e.V. HGV (Hg.): Amerikaner in Heidelberg. Online verfügbar unter http://www.s197410804.online.de/Menschen/amerikaner.htm, zuletzt geprüft am 20.12.2021.

Hinney, Sarah (2020): Wie der RAF-Terror zweimal Heidelberg erschütterte. Rhein Neckar Zeitung. Heidelberg. Online verfügbar unter https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-unvorstellbares-chaos-wie-der-raf-terror-zweimal-heidelberg-erschuetterte-_arid,550485.html, zuletzt aktualisiert am 17.09.2020, zuletzt geprüft am 23.12.2021.

Kramer, Julian (29.07.2021): Mark Twain Center und Konversion in der Südstadt. Interview mit Uwe Wenzel. Mark Twain Center, Römerstr., Heidelberg.

Kramer, Julian (02.08.2021): Kulturzentrum Karlstorbahnhof und Umzug in die Südstadt. Interview mit Tobias Breier. Karlstorbahnhof, Heidelberg. Microsoft Teams.

Mertens, Melanie (Hg.) (2013): Stadtkreis Heidelberg. Teilband 2. 2 Bände. Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmale in Baden-Württemberg, II.5.2).

Müller, Hansjörg Friedrich (2020): Es war einmal in Heidelberg: die Amerikaner und eine deutsche Stadt. In: Neue Züricher Zeitung. Online verfügbar unter https://www.nzz.ch/international/deutschland/es-war-einmal-in-heidelberg-die-amerikaner-und-eine-deutsche-stadt-ld.1571311, zuletzt geprüft am 27.01.2021.

Zum Teil 1 und 3 der Serie geht es hier: